In doppelter Funktion: Andreas Bollenbach (Dritter von links) ist Erster Vorsitzender der HSG Rhein-Nahe Bingen und derzeit auch als Coach der zweiten Herren-Mannschaft im Einsatz.	- Foto: Dirk WaidnerVorsitzender Andreas Bollenbach zieht eine durchweg positive sportliche Bilanz

Es läuft das Jahr eins in der Geschichte der Handball-Sportgemeinschaft Rhein-Nahe Bingen.  Am Aschermittwoch 2016 versammelte sich der harte Kern der früheren Spielgemeinschaft, um einen eigenständigen Binger Handballverein zu gründen. Zum Ersten Vorsitzenden wählten die Anwesenden Andreas Bollenbach, der zuvor schon acht Jahre als Abteilungsleiter in Kempten die Geschicke der HSG mitgelenkt hatte.

Mit seinem Vorstandsteam erwartete ihn zunächst die Aufgabe, bis zum 1. Juli alle möglichen bürokratischen Hindernisse aus dem Weg zu räumen, damit zum Beginn der neuen Saison der neue Verein auf allen Ebenen als Nachfolger der Spielgemeinschaft akzeptiert war. Dazu gehörte natürlich auch, die Mitglieder in den Handball-Abteilungen der TSG Kempten und der HSG Münster-Sarmsheim zum Beitritt zu bewegen.

In den Stammvereinen waren ab sofort nur noch die Ballschulen beheimatet. Wer aktiv spielen wollte, musste sich eh in der neuen HSG anmelden, aber natürlich sollten auch möglichst viele passive Mitglieder mitgenommen werden. „Das war eine interessante und spannende Zeit, die manchmal auch sehr anstrengend war. Es sind eine Unmenge von Sachen in diesen Monaten gelaufen, die alle parallel zum normalen Spielbetrieb erledigt werden mussten“, blickt Bollenbach heute relativ entspannt zurück. Denn auch wenn es ein wenig dauerte, „um alles in den Fluss zu bekommen“, wurden die Ziele erreicht und der Verein legte einen guten Start in seine erste eigenständige Spielzeit hin. Auch die Mitglieder zogen mit: 200 wurden angepeilt und es sind deutlich mehr geworden. Aushängeschild ist weiterhin die erste Herren-Mannschaft, die im vierten Jahr in Folge in der Oberliga RPS spielt und sich langsam weiter nach oben orientiert. Nach Jahren des Abstiegskampfs steht die HSG zum Jahreswechsel mit einem positiven Punktekonto (16:12) auf dem siebten Tabellenplatz, und das, obwohl sie wieder eine ganze Reihe schwerwiegender Ausfälle zu verkraften hatte. „Die erste Mannschaft nimmt schon seit zwei Jahren eine absolut positive Entwicklung.

Diese Saison ist aber deutlich entspannter, weil wir mal einen guten Start hingelegt haben und die Verletzungen besser kompensieren konnten als früher. Das hat viel mit dem Trainer zu tun, der die Mannschaft gut in der Spur hält“, findet Bollenbach nur lobende Worte für Coach Konrad Bansa. Dass die HSG in den vergangenen Jahren viele talentierte Nachwuchsspieler verloren hat, will der Vorsitzende jedenfalls niemandem anlasten. „Die sind ja nicht weggegangen, weil sie keine Lust mehr auf uns hatten, sondern weil sie in ganz Deutschland verteilt studieren. Und manche auch, weil sie die Chance wahrnehmen wollten, höherklassig zu spielen. Da sehe ich nichts Schlimmes, das ist der Lauf der Dinge. Natürlich ist es schade für jeden der geht. Aber wir sind da nicht nachtragend, denn es war für jeden einzelnen die persönlich richtige Entscheidung. Und immerhin gibt es ja auch noch einige Spieler, die in der Nähe studieren und uns treu geblieben sind.“ Außerdem zeigt sich, dass die HSG auch von einer solchen Entwicklung profitieren kann. Nämlich dann, wenn ein Spieler in höheren Klassen seine Erfahrungen sammelt und wieder nach Bingen zurückkehrt. Bestes Beispiel: Torwart Karim Ketelaer, der schon in jungen Jahren ans Handball-Internat in Großwallstadt ging und später in der 3. Liga spielte. Beim HBW Balingen-Weilstetten blieb ihm aber der ganz große Sprung ins Handball-Profitum verwehrt, weshalb er in die Heimat zurückkehrte, eine Ausbildung bei der Polizei begann und bei der HSG zum absoluten Leistungsträger des Oberliga-Teams wurde.



Andreas Bollenbach - 1. Vorsitzender HSG Rhein-Nahe Bingen e.V.Andreas Bollenbach, Erster Vorsitzender HSG Rhein-Nahe Bingen
Alter: 41 Jahre
Familienstand: verheiratet, 4 Kinder
Wohnort: Bingen-Kempten
Beruf: Abteilungsleiter bei der Commerzbank
Handball-Werdegang: Fing als D-Jugendlicher bei der TSG Kempten an. Mit 20 Jahren wechselte er für zwei Jahre zum HSC Ingelheim und kehrte dann zur damals neu gegründeten Handball-Spielgemeinschaft nach Bingen zurück. Mit der stieg er 2002 in die neu gegründete Oberliga RPS auf. 2004 folgte der Wechsel zur HSG Zotzenheim und anderthalb Jahre später die Rückkehr nach Bingen, wo 2006 der Abstieg aus der Oberliga aber nicht verhindert werden konnte. Danach schleichender Rücktritt als Spieler, 2005 bis 2013 Handball-Abteilungsleiter bei der TSG Kempten.



Zudem hat sich der Verein einen guten Namen bei der Ausbildung junger Spieler gemacht, weshalb sich ihm auch aus der Ferne immer mal wieder neue Talente anschließen. Auf solche Neuzugänge wird die HSG auch in den kommenden Jahren nicht verzichten können, denn der eigene Unterbau durchläuft derzeit einige nur sehr dünn besetzte Jahrgänge. Nach einer Periode äußerst erfolgreicher Nachwuchsarbeit in den höchsten Ligen haben die Binger seit zwei Jahren keine Jugend-Mannschaft mehr in der Oberliga. „Es stimmt: Wir hatten einige sehr starke Jahrgänge und danach kam ein Loch. Trotzdem bin ich beim Blick auf unsere Jugendabteilung positiv gestimmt. Denn wir haben angefangen, mit den Kleinen von ganz unten wieder etwas aufzubauen. Wir haben einen Riesen-Zulauf und das ist eine Entwicklung, die gegen den Trend geht. Viele Vereine haben größere Probleme“, verweist Bollenbach auf die jüngeren Jahrgänge, in denen die HSG wieder eine führende Rolle in Rheinhessen spielt. „Das hängt mit den Menschen zusammen, die sich darum kümmern, die unseren Sport lieben und hervorragende Arbeit leisten. Was am Ende daraus wird, muss man gar nicht an einer Liga messen. Wenn wir es schaffen, dass super Typen dabei herauskommen, die auch im Berufsleben ihren Mann stehen, sind wir total zufrieden. Und wenn sich mal wieder eine Oberliga- oder Bundesliga-Mannschaft entwickelt, ist das auch gut - aber das ist kein Zwang.“

Wesentlich mehr Kopfzerbrechen bereitet Bollenbach ein anderes Problem: Die HSG hat keine Schiedsrichter. Ohne Schiedsrichter muss der Verein viele Strafen bezahlen und ist auf Verbands-Ebene auch immer wieder von Punktabzügen bedroht. Letzteres hält der HSG-Chef zwar für den falschen Weg. Da er keine andere Lösung parat hat, zeigt er aber Verständnis für die Sanktionen des HVR, der den Spielbetrieb ja irgendwie aufrecht erhalten muss. „Die fehlenden Schiedsrichter sind ein großes Problem - nicht nur bei uns, sondern in ganz Rheinhessen. Ich freue mich über jede Idee, wie wir da gegensteuern können. Wir versuchen es alle Jahre wieder und diskutieren das in jeder Sitzung“, ist Bollenbach in dieser Frage ratlos. Deshalb zeigt er sich auch offen, für den neuen Vorschlag des HVR, in der E-Jugend Junior-Schiedsrichter einzusetzen, um Jugendliche für diese Aufgabe zu begeistern. „Wir werden es probieren und darauf eingehen. Ich habe derzeit keine bessere Idee und bin für jeden Vorschlag dankbar.“

Beratschlagen wird sich Bollenbach demnächst auch mit Tom Friedemann und Friedrich May, dem Spielertrainer-Duo der zweiten Mannschaft, dem er zuletzt als Coach bei den Spielen unter die Arme griff. So konnte neben May auch Friedemann mehr spielen, und prompt landete der Rheinhessenligist zwei Siege, mit denen er sich ein wenig vom Tabellenende löste. „Ein Trainerwechsel stand nie zur Debatte. Aber beim Sieg in Ingelheim hat man gesehen, es hat geholfen, dass beide durchspielen konnten.“ Wenn nach der Weihnachtspause wieder mehr Spieler zur Verfügung stehen sollten, könnten die Karten aber wieder neu gemischt werden. „Mit einem größeren Kader können wir auch wieder anders agieren. Das Ziel bei der zweiten Mannschaft ist ja weiterhin, junge Spieler einzusetzen, damit die sich entwickeln können. Drei A-Jugendliche stehen schon fest im Kader und weitere werden dazukommen“, macht Bollenbach klar, dass es neben dem Klassenerhalt keine tabellarischen Ziele in der Rheinhessenliga gibt. „Wir wollen mit der zweiten Mannschaft ja nicht Meister werden.“ Dafür könnte das aber die dritte Mannschaft schaffen, die ihr erstes Jahr in die Kreisliga als Vize-Meister beendete und nun als eines von drei Teams mit zwei Minuspunkten schon wieder ganz vorne dabei steht. Auch hier scheint der HSG mit Tracy Mazza als Spielertrainer ein guter Wurf gelungen. „Er macht das super mit einer schönen Mischung aus jungen und alten Spielern. Wir sind da ganz entspannt und schauen was rauskommt. Wenn sie noch mal aufsteigen, freuen wir uns. Wenn nicht, ist es auch nicht schlimm“, hat die Hobby-Truppe alle Freiheiten.

Ähnliches gilt für die Frauen, die in einer Spielgemeinschaft mit Oberheimbach einen Neunanfang gewagt haben und in der A-Klasse mit ausgeglichenem Punktekonto im Mittelfeld stehen. Und wie geht es bei den ersten Herren weiter? Immerhin lag das Ziel 3. Liga schon einmal in der Luft und mit Konrad Bansa steht einer der höchst qualifiziertesten Trainer Deutschlands an der Seitenlinie, dem die Oberliga auch irgendwann zu wenig sein könnte. „Für uns ist erst einmal wichtig, dass wir eine saubere Mannschaft haben, die sich weiter entwickelt. Wir können jetzt schon mit gewisser Sicherheit für ein weiteres Oberliga-Jahr planen und Konrad ist da ein wichtiger Bestandteil. Wir wollen uns auch weiter verstärken und zumindest das Niveau halten. Aber es liegt nirgendwo ein Zettel, auf dem steht, dass wir zu irgendeinem Zeitpunkt in der 3. Liga sein müssen“, hält Bollenbach dieses Thema ganz flach. Um es weiter zu denken, müssten erst einmal die finanziellen Voraussetzungen für einen Aufstieg geschaffen werden. „Momentan stehen wir gut da. Aber wir sind daran interessiert, das auszubauen, denn ohne Geld ist nichts möglich. In Kooperation mit dem Förderverein arbeiten wir daran, uns irgendwann mal mehr leisten zu können. Denn wir haben eine gute, talentierte Mannschaft mit einem hervorragenden Trainer, die einen guten Weg gegangen ist. Wir möchten alle halten und den Weg zusammen weitergehen.“

Ähnlich äußert sich Bollenbach, wenn es um die Zukunft des gesamten Vereins geht. „Wir wollen fortführen, was wir begonnen haben. Bei der Jugend gilt es, stabil alle Altersklassen zu besetzen und die Trainer zu halten. Der Verein muss gefestigt werden und damit haben wir genug zu tun. Der HSG steht eine gute Truppe vor mit verschiedenen Schwerpunkten und Möglichkeiten vor. Diese Skills gilt es einzusetzen, um weiterzukommen. Wir wollen die kurzen Wege ausleben und uns weiter professionalisieren“, soll sich die Vereinsgründung durch schnellere Entscheidungswege und effizienteres Ausnutzen der Ressourcen auszahlen. Wohin der Weg dann führt, werden alle Beteiligten gespannt verfolgen.


Quelle: Dirk Waidner